Großartig besetzer Nestroy in Steyr
von Peter Klimitsch, "Neues Volksblatt" am 14.7.2017
Bei Johann Nestroy galt schon 1844 das Betrügen in der Beziehung als Anlass für einen Schritt ins „Kriminal“, wenngleich über den Umweg eines ausgewachsenen Raufhandels, eines nicht befestigten Geländers und eines gemeinsamen Fenstersturzes der Widersacher ins Wasser. Das bringt beiden statt dem vermeintlichen Tod nur gekühlte und verwirrte Gemüter. „Der Zerrissene“ wird seit Donnerstag vom „Theater am Fluss“ in Steyr in seiner dritten Spielzeit in den Garten des ehemaligen Gasthauses Sandmair am Ennsufer serviert, und zwar in famoser Besetzung. Regisseur Herbert Walzl holte Heinz Arthur Boltuch für den Herrn von Lips, ein Gesicht, uns allen aus dem Werbefernsehen bekannt. Boltuch stellt seinen Lips, eine der schwierigsten Nestroyrollen wohl überhaupt, in die Reihe der großen Interpretationen im Land. Denn der Grat von Spiel und Sprache für Lebensverdruss und Überlebenswillen, das Stigma als Mörder zu bewältigen, ist schmal: eine bravouröse Leistung!
Rundum gelungene Unterhaltung mit Tiefgang
Als Gegenspieler Gluthammer kehrt Jürgen Hirsch auf oberösterreichische Bühnenbretter zurück, er lebt den hormongesteuerten Schlosser mit schuldenbeladenem Ausflug in die Modebranche nahezu wie ein Teufel. Irmi Gruber gestaltet den kurzen Auftritt der Madame Schleyer zur kleinen Delikatesse im ersten Akt. HP Baumfried muss als Krautkopf das Versteckspiel der beiden scheinbaren Mörder auf seinem Gut aushalten und versteht sich dabei bestens auf die Komik in der Verzweiflung. Aus den drei Lips’schen Freunden machte Walzl ein schmierig-witziges Triumvirat (Bernhard Oppl, Johannes Schmid, Stefan Parzer), das im dritten Akt mit einer sehr speziellen Musikeinlage der Alleinerbin Kathi huldigt. Laura Enzenhofer spielt sie als charmanten Ruhepol im Trubel. Bediente und Knechte leisten hervorragend das Ihre für eine rundum gelungene Unterhaltung mit sprachgewitztem Tiefgang und feinen Aktualisierungen im Text und in den Couplets. Die Tanzeinlagen aus der Schublade volkstümliche Musik (Geschmackssache!) kommen beim Publikum an. Dass die Playbacks dazu und für die Couplets bei der Premiere noch zu laut erschallten, wird die Tontechnik für die Vorstellungsserie bis 12. 8. (jeweils Donnerstag bis Samstag, Beginn: 20.30 Uhr) zu berücksichtigen wissen.
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Karten: 0681/10589001
Geglückter Auftakt für Nestroy-Sommer am Ennsufer
von Angelika Mitterhauser, "TIPS" am 14.7.2017
STEYR. Die Premiere des diesjährigen Stückes des „Theater am Fluss“ im ehemaligen Garten von Gasthaus Sandmair ging gestern bei idealem Wetter über die Bühne.
Mit einer Posse von Johann Nestroy kann man nicht viel falsch machen, könnte man meinen. Natürlich kann man. Komödie spielen ist eine Kunst. Es erfordert eine darstellerisch durchaus halsbrecherische Gratwanderung, die das Zwerchfell des Publikums anrühren soll.
Stimmige Besetzung
Steyrs „Theater am Fluss“ spielt in seiner dritten Spielsaison Nestroys „Der Zerrissene“. Und schafft mit seiner Besetzung eine liebenswürdige Inszenierung, die nicht nur herzliche Lacher hervorbringt, sondern mit kreativen Ideen ungebrochene Kurzweil schenkt. Das Ensemble aus Profis und Laien ist harmonischer denn je zusammengestellt - Jürgen Hirsch, Heinz-Arthur Boltuch und Co zuschauen macht Freude. Nestroys Wortwitz sorgt für den Rest. Der Lohn zur Premiere: Stehapplaus.
Nicht zuletzt punktet die Open-Air-Bühne heuer auch mit dem perfekten Rundherum für eine angenehme Pause, sei es kulinarisch oder dank neuem Sanitärbereich.
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Auf die ersten beiden ausverkauften Vorstellungen folgen die Spieltermine: 15., 20., 21., 22., 27., 28., 29. Juli sowie 3., 4., 5., 10., 11., 12. August, Beginn: jeweils 20.30 Uhr, Spielort: Steinwändweg 10, Steyr-Gleink (Open Air). Karten: Stadtservice (Rathaus), Tel. 07252/575-800, Infos und online-Reservierung: www.theater-am-fluss.at